Wir scheinen das Schlimmste überwunden zu haben, wer es bis hierher geschafft hat, kann wahrscheinlich überleben. Erste neue Geschäfte und Straßenrestaurants eröffnen in der Windhoeker Independence Avenue. Der Tourismus beginnt, sich zu erholen. Es sieht ganz danach aus, als habe sich die Regierung überzeugen lassen, NEEEB, eine große Bedrohung für die Wirtschaft und auch für Namibias internationales Ansehen, in seiner jetzigen Form fahren zu lassen.
- Referat von Benita Herma zum Launch Event der Regionalgruppe FDN-Europa
Wann und warum begann die Rezession?
- 2016 Gespräch von D abgestellter Berater im Ministerium für Handel – Namibia lebt über seine Verhältnisse, es wird zum Crash kommen. Es wurde zuviel gebaut – meist Regierungsaufträge – zuviel gereist, zuviel verprasst, zuviele Fehler gemacht. Es gibt ca. 100 staatseigene Betriebe und Organisationen, die fast alle von der Regierung finanziert werden, es müssen Milliarden zugeschossen werden.
- 2017/18/19. Dürre. In Windhoek gibt es einen Baustopp, weil Bauen zuviel Wasser braucht. Damit bekommt ein wichtiger Wirtschaftszweig und Arbeitgeber einen ersten Schlag.
- Die neue angolanische Regierung erschwert den Transfer großer Geldsummen ins Ausland. Damit kommt eine wichtige Einnahmequelle für Namibia zum Erliegen, sie betrifft Wohneigentum, den Einzelhandel – auch von Luxusgütern – und sogar Ärzte und Privatkrankenhäuser.
- Ab 2017 hält die Regierung Seminare und Konferenzen ab, um der Geschäftswelt das geplante NEEEB Gesetz zu erläutern. Es soll den ungerecht verteilten Wohlstand, der durch die Apartheidszeit entstanden ist, gerade rücken. Vormals privilegierte Geschäftsleute (Begriffe erläutern) würden gezwungen werden, Anteile ihrer Betriebe, ihres Managements usw. an vormals Benachteiligte Gruppen abzutreten. – NEEEB steht auf insgesamt 8 Säulen, an die sich Geschäftsinhaber halten müssten. Zunächst heißt es noch, die Anteile müssten gekauft werden, in dem letzten – und bis dato gültigen – Gesetzentwurf wird dies nicht mehr erwähnt. Aus Angst vor NEEEB und auch dem – ausländische Investoren stark einschränkenden – Investitionsgesetz NIPA ist die Geschäftswelt deutlich weniger zu neuen Investitionen in ihre eigenen oder in neue Betriebe bereit. Das schadet der Wirtschaft.
- Die Dürre beeinträchtigt die Landwirtschaft und Nahrungssicherheit. Die Dürrehilfe der Regierung verschlingt Millionen, es kommt auch zu Korruption. Fleischexporte sind reduziert. Die Milchwirtschaft ist am Boden. Dem Tourismus geht es gut, aber er verändert sich – weg von wohlhabenden Selbstfahrern, hin zu Pauschaltourismus mit eingeschränktem Angebot und niedrigeren Preisen.
- November 2019. Der Fishrot Skandal wird aufgedeckt, nach und nach kommt ans Licht, dass ca. 9.8 Milliarden Namibia Dollar aus der Fischerei abgezweigt wurden, die ehemalige Minister, Geschäftsleute und viele andere unter sich aufgeteilt hatten. Möglich gemacht hatte das die isländische Firma Samherji. Die sehr lebendige, unerschrockene und aufmerksame namibische Presse fördert alle paar Tage neue Skandale ans Licht.
- Mehr und mehr Korruption wird aufgedeckt – in der Baubranche, im Gesundheitswesen, bei der Vergabe von Aufträgen für Schulspeisungen. Dazu kommt die fast ausschließliche Vergabe von Regierungsaufträgen an chinesische Baufirmen. Die können billiger arbeiten, weil sie fast ausnahmslos von der chinesischen Regierung subventioniert werden. Auch vormals große namibische Baufirmen müssen sich neu orientieren und Mitarbeiter entlassen. Die ehemals für ihre kleinen Sub-kontrakt-Arbeiten berühmten Rehobother Maler, Schreiner, Schweißer, Fliesenleger werden von den chinesischen Firmen selten genutzt und gehen reihenweise ein.
- März 2020 – Corona schlägt zu, die namibische Regierung tut, was alle Regierungen früher oder später tun, das Land abschotten. Der Flugverkehr kommt zum Erliegen, die Grenzen zu Nachbarstaaten werden geschlossen. Namibia erlebt einen totalen Lockdown. An Hilfen kann die Regierung nicht viel anbieten, dies sind kleine Zuschüsse für die Ärmsten, wer als Tourismusbetrieb registriert ist, kann eine Zuwendung beantragen, die Banken zeigen sich großzügiger, was Anleihen und Überziehungskredite angeht. Zahlreiche Geschäfte im Einzelhandel und im Bau müssen ihre Türen endgültig schließen, so auch viele kleinere Betriebe, die vom Tourismus direkt abhängig sind. Dennoch muss man sagen, dass die namibische Regierung eine ruhige Hand bewahrt und die Lage sicherlich nicht schlechter meistert, als viele andere Länder. Außerdem wird sie in ihrer Arbeit großzügig vom Privatsektor unterstützt. Als Beispiel – viele Einwohner Katuturas haben keinen Zugang zu fließendem Wasser. Um die Hygiene in Corona-Zeiten gewährleisten zu können, wird gratis Wasser per Tankwagen geliefert, die mehrere private Baufirmen mit ihren Fahrern monatelang zur Verfügung stellen.
Es gibt auch gute Nachrichten
- Namibia geht durch kleinere Höhen und viele Tiefen, aber jetzt zeigt sich auch die Resilienz, für die wir bekannt sind. Zunehmend versuchen sich Betriebe, neu auszurichten, beispielsweise in der Nahrungsmittelproduktion. Namibisches Obst und Gemüse gibt es nun fast überall. Plötzlich gibt es namibische Wachteln, namibische Ravioli, Fruchtsäfte und Konserven, Marmelade und Gebäck zu kaufen. Verstärkt nimmt der Einzelhandel diese Produkte auf, oder sie werden direkt vertrieben. Das sind auch namibische Kosmetik, Ledertaschen (auch für den Export) Whisky und Gin, feine Pralinen und Schokolade. Von den Supermärkten ist es vor allem Superspar, der von deutsch-Namibiern geleitet wird und namibische Produkte führt. Auch wird viel mehr Obst und Gemüse sowie Nischenprodukte wie Brennessel und Aloe Vera produziert. Die namibischen Blaubeeren sind im Export erfolgreich, so auch der weiße Spargel, der von einer spanischen Firma angebaut und eingemacht exportiert wird. Exporte namibischer Tafeltrauben bringen im vergangenen Jahr N$ 840 Millionen ein, 33 Millionen Kilogramm Weintrauben werden zuletzt ausgeführt, man kann sie auch bei Edeka kaufen.
- Rolle des Namibia Agronomic Board – Vorsichtige Kontrolle der Einfuhren unverarbeiteter Gemüse- und Obstsorten.
- Rolle des Handelsministeriums – Infant Industry Protection – wer ein gutes Produkt hat, das in Südafrika billiger hergestellt werden kann und aus Preisgründen keine Chance auf dem namibischen Markt hätte, hat die Möglichkeit, diesen Schutz für ein paar Jahre zu beantragen. Dann darf nur noch eine geringere Menge eines Konkurrenzproduktes aus dem übermächtigen Südafrika eingeführt werden. Beispiele – Huhn, Nudeln, Recycelte Plastikwaren, Milchprodukte.
- EPA – Abkommen mit der EU, vormals Lome-Abkommen, auch neu verhandelt mit Großbritannien. Was in Namibia produziert wird, kommt ohne Zölle nach Europa und Groß Britannien. Das Abkommen hat Schwächen, weil es im südlich-afrikanischen Verband abgesegnet wurde. Südafrika nimmt dort eine übermächtige Stellung ein und kann sich selbst Vorteile verschaffen. Dennoch bleibt die Zollfreiheit gewährleistet.
- NTF – Um 2015 herum beauftragt das Handelsministerium das Namibia Trade Forum, eine „Retail Charter“ zu erstellen, so dass mehr namibische Produkte auf die Regale der südafrikanischen Supermarktketten kommen. Sie macht kleine, positive Schritte, auch wenn nicht alle Supermärkte mitziehen.
- Die namibische Regierung scheint verstanden zu haben, dass ihr die grassierende Korruption geschadet hat und sie sie aktiver bekämpfen muss.
- 2021 – wir scheinen das Schlimmste überwunden zu haben, wer es bis hierher geschafft hat, kann wahrscheinlich überleben.
Erste neue Geschäfte und Straßenrestaurants eröffnen in der Windhoeker Independence Avenue. Der Tourismus beginnt, sich zu erholen. Ausländische Besucher haben zum Teil volle Taschen, wir beobachten bei ihnen eine Abkehr von der Sparsamkeit.
Es sieht ganz danach aus, als habe sich die Regierung überzeugen lassen, NEEEB, eine große Bedrohung für die Wirtschaft und auch für Namibias internationales Ansehen, in seiner jetzigen Form fahren zu lassen.
Da sie das Gesetz aber so lange und so offensiv propagiert hat, wird sie eine Alternative finden müssen, bei der sie nicht das Gesicht verliert.
Ich vertrete persönlich die Ansicht, dass auch von Seiten des vormals privilegierten Geschäftssektors (das Wort „Weiß“ lasse ich aus Gründen der political correctness weg) ein Angebot kommen muss, etwas, das WIR tun können, auch als FORUM, um die Einkommensunterschiede verringern zu helfen. Hier wird unser Ideenreichtum gefragt sein.
Falls NEEEB in seiner jetzigen Form oder ganz gestrichen wird, wird voraussichtlich auch NIPA (das fehlerhafte Investitionsgesetz) wieder abgeändert werden, es ist auch bisher nicht in Kraft. Das wäre ein guter Schub fürs FDI (direct Foreign Investment).
Weitere gute Nachrichten sind …
- Mieten sind gesunken, sowohl für Wohnungen und Häuser, als auch für Geschäfte und Werkstätten, man kann jetzt viel besser verhandeln.
Vereinzelt gibt es Namibier, die aus dem Home Office für internationale Tech-Firmen arbeiten.
Der Online Handel nimmt jetzt wirklich Fahrt auf, er wird stark von der neuen Handelsministerin Lucia Iipumbu gefördert.
- Die Welt ist flexibel geworden, jetzt kann erfolgreich sein, wer Out of the Box denkt und Einfallsreichtum beweist.